Die Gewährleistung einer gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Le-ben in der Gesellschaft und die Ermöglichung einer selbstbestimmten Lebensführung ist ein wich-tiges gesellschaftspolitisches Ziel.
Dabei stößt man jedoch bei sensorisch eingeschränkten Menschen immer wieder auf Kommunikationsbarrieren. Diese werden insbesondere bei der zunehmenden Ausstattung von Bahnhöfen und Haltestellen mit Dynamischen Fahrgastinformationsmedien deutlich. Diese stellen Informationen visuell dar nd schließen damit die Gruppe der Menschen mit einer Sehbehinderung und blinde Menschen von der Nutzung aus.
Bei der Neuausstattung von Haltestellen mit hoher Fahrgastnachfrage werden DFI-Anzeiger teilweise bereits durch akustische Ansagen über Lautsprecheranlagen unterstützt. Ein Großteil der Haltestellen, insbesondere im ländlichen Raum, sind jedoch nicht mit derartigen Systemen ausgestattet. Eine flächige Ausstattung ist nicht zu erwarten, so dass für eine landesweite Echtzeit-Information von Menschen mit einer Sehbehinderung und blinde Menschen andere Lösungen gefunden werden müssen.
Diese Problematik greift das Forschungs- und Entwicklungsprojekt Sinn² auf, welches im Rahmen des Förderprogramms „Nachhaltig mobil: Wissenstransfer von der Forschung in die Praxis“ durch das Verkehrsministerium des Landes Baden-Württemberg gefördert wurde. Das Projektkonsortium besteht aus der VWI Verkehrswissenschaftliches Institut Stuttgart GmbH, dem Institut für Eisenbahn- und Verkehrswesen der Universität Stuttgart sowie dem Institut für angewandte Sozialwissenschaften, Zentrum für kooperative Forschung an der DHBW Stuttgart.
Es gibt zwar bereits eine Vielzahl von Apps zur Fahrgastinformation, welche die Fahrgäste bei der Planung einer Fahrt im Öffentlichen Verkehr unterstützen, jedoch gestaltet sich die Bedienung eines Smartphones für eine sehgeschädigte Person grundlegend anders als für eine Person mit vollem Sehvermögen. So ist die visuelle Informationsaufnahme über das Display des Smartphones nur sehr schwer bis gar nicht möglich. Daher werden von diesen Personen Hilfsfunktionen des jeweiligen Betriebssystems verwendet. Hierzu stehen im Normalfall Tools zur Vergrößerung der Displayanzeige und Screen Reader, welche den angezeigten Bildschirminhalt vorlesen, zur Verfügung.
Ein wichtiges Element des Sinn²-Projekts war die aktive Beteiligung einer alters- und geschlechtsgemischten Fokusgruppe sehbehinderter Personen während der gesamten Projektlaufzeit. Begleitung und Moderation dieser Fokusgruppe orientieren sich an dem Grundsatz der gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit einer Behinderung in allen gesellschaftlichen Bereichen. Somit wird die barrierefreie App zur Fahrgastinformation nicht etwa für Menschen mit einer Sehbehinderung entwickelt, sondern mit ihnen gemeinsam. Ausgestaltung und Leistungsfähigkeit der App orientieren sich somit am persönlichen Bedarf der Zielgruppe, denn mit Hilfe dieser Fokusgruppe konnten über die Projektlaufzeit hinweg wertvolle Informationen über das spezielle Nutzerverhalten bezüglich Smartphones gesammelt sowie spezielle Anforderungen an Fahrgastinformations-Apps ermittelt werden.
Um die bestmögliche Nutzbarkeit für die Zielgruppe zu erreichen, wurde von Beginn an speziell die geplante Nutzung von Hilfsmitteln, wie einem „Screen Reader“, berücksichtigt und die Struktur der grafischen Benutzerschnittstelle, deren Elemente sowie die Präsentation der Daten entsprechend angepasst. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass Menschen mit einer Sehbehinderung und blinde Menschen, alle für sie wichtigen Informationen tatsächlich erhalten und diese nicht verloren gehen, beispielsweise bei der Umwandlung in akustische Form durch die beschriebenen „Screen Reader“.